,,Serafina hat Euch eine Karte verkauft, die zur Insel führt, die wir suchen?‘‘, vergewisserte sich Briggs, dass er die Worte von Captain Jake Blue richtig verstanden hatte. Mittlerweile segelte die ,,Sirene‘‘ wieder auf dem offenen Meer. ,,Ja.‘‘, lautete die knappe Antwort des Kapitäns. ,,Na, das wundert mich nicht. Wenn eine Person die seltsamsten Karten der Welt hat, dann Serafina. Sie hat sogar eine Karte, die die aktuelle Position von Vanderdecken, besser bekannt als Fliegender Holländer, anzeigt.‘‘ ,,Aha.‘‘, sagte der Captain, während er die Karte aufrollte. ,,Warum seid Ihr eigentlich so kurz angebunden? Wir haben doch jetzt ’n Wegweiser zur ,Sonneninsel‘.‘‘ ,,Weil ich immer noch Angst habe, dass die Franzosen uns zuvorkommen!‘‘, schnappte Jake. Seufzend warf er einen Blick auf die Karte. Sie war sehr kunstvoll gestaltet. Wundervolle Muster und mysteriöse Schriftzeichen zogen sich über ihre Ränder. Und in der unteren linken Ecke war Jamaika eingezeichnet, weiter drüber Tortuga, und da, ganz oben rechts, mit einer Sonne gekennzeichnet: Die geheimnisvolle ,,Sonneninsel‘‘, wie Briggs sie eben genannt hatte. Plötzlich ertönte aus dem Ausguck der Ruf: ,,Franzosen an Steuerbord!‘‘ Und wirklich: Die ,,Le Coq‘‘ bewegte sich aus der genannten Richtung auf die ,,Sirene‘‘ zu, bis sie genau längsseits mit ihr war und eine altbekannte Stimme sagte: ,,Na, wen sehen wir denn ’ier wieder?‘‘ Chevalier d‘Rouge! Der arrogante Ritter beugte sich etwas weiter über die Reling und fragte: ,,Was ’abt Ihr da in der ’and, Monsieur le Capitaine? Es scheint eine Karte zu sein. Zeigt sie vielleicht den Weg zum legendären Jungbrunnen? Das wäre wundervoll, denn dann wärt Ihr beschäftigt und kämt Ihr uns bei der Suche nach dem Sonnenjuwel nicht mehr in die Quere.‘‘ ,,Ätsch! Sie zeigt den Weg zur Insel, wo das Juwel verborgen ist!‘‘, rief Eddy. Am Blick seines Captains und seiner Kameraden merkte der junge Mann, dass er einen Fehler gemacht hatte. ,,Toll, Junge. Ganz, ganz toll.‘‘, meinte Briggs mit deutlichem Sarkasmus in der Stimme und blickte besorgt hoch zu d‘Rouge, der nun ein interessiertes Gesicht machte. ,,Ah! Ihr ’abt einen Wegweiser zur ,Sonneninsel‘!‘‘ ,,Kommt das nur mir so vor, oder hat der Typ meinen Satz von vorhin geklaut?‘‘, raunte Briggs Jake zu. ,,Im Namen der französischen Krone verlange isch, dass Ihr mir diese Karte sofort übergebt!‘‘ Jake Blue rollte die Karte fest zusammen, drückte sie an sich und rief: ,,Das könnte Euch so passen! ALLE MANN AUF GEFECHTSSTATION!‘‘ ,,AYE!‘‘, brüllten die Jungs und zogen ihre Waffen. Mithilfe von Enterhaken schwangen sie sich aufs Deck der ,,Le Coq‘‘, wo die französischen Soldaten schon ihre Gewehre schussbereit machten. Auch Captain Jake Blue stürzte sich in den Kampf. Er drückte Briggs die Karte in die Hand und griff ebenfalls nach einem Enterhaken. Während der Erste Maat der ,,Sirene‘‘ sich mit der Karte zurückzog, um die wertvolle Papierrolle zu verstecken, landete auch Jake auf dem französischen Flaggschiff, wo, inmitten kämpfender Soldaten und Piraten, Chevalier d’Rouge mit gezogenem Degen auf ihn wartete. ,,Ihr ’abt kein Recht diese Karte zu besitzen!‘‘ ,,Und wie ich das habe, Capitaine d‘Rouge! Gönnt Ihr einem Mann etwa nicht das Glück, seiner Liebsten eine Freude zu machen?‘‘ ,,Das Gleiche könnte isch Euch fragen! Oder seht ihr meinen König und seine Königin etwa nischt als einander Liebende an?‘‘ Darauf hatte der Piratenkapitän keine Antwort mehr. Er zog seinen Entersäbel und griff den Ritter an. Der Franzose konnte gerade noch rechtzeitig parieren. Das Klacken von Stahl auf Stahl mischte sich nun in die reichhaltige Geräuschkulisse des Schlachtfeldes. Da beide Männer begabte Fechter waren und ziemlich gut im Ausweichen und Parieren, konnte keiner beim anderen einen Treffer landen. Apropos begabte Fechter: Auch der Rest von Jakes Mannschaft legte sich ordentlich ins Zeug. Eddy wehrte mit seinen beiden Krummsäbeln gekonnt zwei Soldaten ab, die ihn in die Zange nehmen wollten. Robin machte sich sein Talent im Knotenknüpfen zunutze, um ein paar andere Soldaten an den Hauptmast der ,,Le Coq‘‘ zu fesseln, bevor diese reagieren konnten. Der starke Selim kämpfte sogar mit bloßen Fäusten, was ihm in keinster Weise einen Nachteil bescherte. Und mittendrin waren Chevalier d‘Rouge und Captain Jake Blue, sie parierten, wichen aus, schlugen mit ihren Waffen nach dem jeweils anderen. ,,Macht es Euch und Euren Männern nicht schwer, gebt mir die Karte!‘‘, schrie der französische Seefahrer. ,,Träumt weiter!‘‘, antwortete der Piratenkapitän und nutzte einen unachtsamen Augenblick seines Gegners, um ihn mit einem Tritt in einen Stapel Fässer zu befördern. Keuchend rappelte sich der Chevalier wieder auf. ,,Aïe… Ihr seid ein starker Gegner, Monsieur le Capitaine. Isch fürschte, isch muss mich diesmal geschlagen geben. Retrait, hommes!‘‘ ,,Wir haben gewonnen, Freunde! Zurück auf die ,Sirene’!‘‘, befahl Captain Blue. Als die Piraten wieder auf ihrem Schiff standen, und der in die Ferne segelnden ,,Le Coq‘‘ hinterherschauten, kam auch Mr. Briggs wieder zum Vorschein. ,,Captain, ich habe die Karte in der Kapitänskajüte versteckt. In dem Geheimfach in Eurem Schreibtisch, von dem nur wir beide wissen.‘‘ ,,Sehr gut… Jonathan.‘‘, lächelte Jake, der seinen Ersten Maat kaum mit dessen Vornamen ansprach, aber gerade musste er an das Gespräch mit Serafina denken. ,,Ich hole sie sofort, damit wir unsere Reise zum Sonnenjuwel fortsetzen können.‘‘ Frohgemut machte sich der Kapitän auf den Weg zu seiner Kajüte.